von Pfarrerin Sabine Happe.
Die gesprochene Version des unten stehenden Textes mit anschließendem Orgelnachspiel von Hyekyoung Kang gibt es hier.
„Christ ist erstanden … Halleluja! Des solln wir alle froh sein …“ (eg 99)
Liebe Markus-Menschen,
so singen wir jedes Jahr gemeinsam im Ostersonntagsgottesdienst. In diesem Jahr singen wir nicht gemeinsam. Die Freude hält sich in Grenzen und auch alle sonstigen Osterbräuche, die gerade auch in Familien mit Kindern Tradition haben, von der morgendlichen Eiersuche bis zum Osterbrunch mit der Großfamilie, sind an Ostern 2020 nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Corona legt sich wie ein schwarzer Schleier auf die Fröhlichkeit des Osterfestes und auf unsere Gemüter. Zu unserer derzeitigen Stimmungslage passte Karfreitag in diesem Jahr irgendwie besser.
Aber, und genau das ist das besondere am Osterfest, Karfreitag und Ostersonntag gehören untrennbar zusammen. Sie sind nicht einzeln zu haben. Die Hoffnung und große Freude des Ostergeschehens kann nur ermessen, wer das Leiden am Karfreitag mitvollzogen hat. Nur, wer die Gefühle von Verlassenheit, Einsamkeit und vielleicht sogar Todesangst kennt, kann wahre Hoffnung schöpfen aus der Botschaft von der Auferweckung Jesu von den Toten. Er kann Zuversicht gewinnen aus der Erkenntnis, dass Gott sowohl im Leiden wie auch bei der Auferstehung bei uns ist, bzw. wir bei ihm.
Die Auferstehung Jesu ist das Urbekenntnis der Christen.
Die älteste Osterbotschaft lautete: „Gott erweckte Jesus aus den Toten!“
Gott ist es, der dem Tod die Macht nimmt. „Auferweckung“ ist ein Bild für die „ewige Gemeinschaft mit Gott, die auch der Tod nicht zerstören kann“.
Das ist die Mut machende Botschaft in diesen Tagen. Unsere Gemeinschaft mit Gott hält allem Stand, auch den Karfreitagssituationen in unserem Leben. Am Ende siegt das Leben über den Tod, das wünschen wir uns, darauf hoffen wir.
Aber mal ehrlich, so richtig vorstellen können wir uns das nicht. Manchmal helfen Bilder dann weiter als sprachliche Vergleiche. Eins der schönsten ist das des Schmetterlings. Auferstanden aus einer Art kleinem Sarg, dem Kokon. Vorher als Raupe lebend, die nichts von ihrer Verwandlung ahnt. Dieses schöne Bild macht auch klar, dass Auferstehung nicht einfach Wiederbelebung des Alten meint, sondern Neuschöpfung, Verwandlung in etwas Wunderschönes.
Warum fällt es manchmal bloß so schwer, uns dies vorzustellen, wo wir doch zur Zeit draußen in der Natur genau das erleben? Der Frühling ist das schönste Bild für neues, wiedererwachtes Leben. Aus toten Zweigen kommen neue Knospen hervor. Tiere, die Winterschlaf hielten, erwachen wieder. In unserem Sprachgebrauch gehören Frühling und Ostern zusammen. Denn der Name „Ostern“ ist abgeleitet von der germanischen Frühjahrsgöttin „Ostara“. Frühling zeigt farbenprächtig und klangvoll (durch die Vögel) den Sieg des Lebens. Wie heißt es so schön im Lied vom Mandelzweig? „Doch des Lebens Blütensieg leicht im Winde weht.“
Mit Jesu Auferstehung ist die Hoffnung auf Auferstehung für uns alle in die Welt gekommen. Dass am Ende das Leben über den Tod siegt, das wünschen wir uns, darauf hoffen wir. Und ich denke, den großen zukünftigen Sieg des Lebens über den Tod, könnten wir uns gar nicht vorstellen, und er wäre vielleicht auch bedeutungslos, wenn wir nicht schon in unserer Gegenwart etwas davon ahnen und spüren könnten. Vielleicht würden ja die Raupen auch schon etwas von ihrem Schmetterlingsdasein erahnen, wenn sie nur etwas aufmerksamer wären. Kleine alltägliche Auferstehungserfahrungen in unserem Leben sind Hinweise auf die vollendete Auferstehung. Es sind sozusagen „vorweggenommene Erfahrungen“, in dem, was uns gewöhnlich umgibt.
Wo machen wir solche vorweggenommenen Auferstehungserfahrungen in unserem Alltag? Immer dann, wenn das Leben und die Hoffnung siegt über die alltäglichen Mächte des Todes. Auferstehung kann auch „Aufstand, Widerstand“ meinen. Wenn wir aufstehen gegen die Lieblosigkeit, Gleichgültigkeit und Einsamkeit. Wir machen Auferstehungserfahrungen, wenn es uns gelingt nach dem Verlust eines geliebten Menschen, sei es durch Tod oder Trennung, wieder einen hoffnungsvollen Neuanfang zu beginnen. Es sind Auferstehungserfahrungen, wenn man eine schwere Erkrankung, und sei es jetzt ganz aktuell Corona, besiegt hat und wieder weiterleben darf. Oft hört man von Menschen mit solchen Erfahrungen: „Es ist, als ob einem das Leben neu geschenkt wird.“ Immer, wenn sich Gemeinschaft, Versöhnung, Liebe, Zuneigung, Engagement, Gesundung, kurz: das Leben durchsetzt, dann erleben wir Auferstehung mitten im Alltag.
Wenn wir wirklich lebendig sind mit Haut und Haar, mit unseren Gefühlen und Sehnsüchten, wenn wir uns ganz einbringen in unser gemeinschaftliches Leben, dann machen wir Ostererfahrungen.
Ostern heißt: Das Leben siegt über den Tod. Das können wir nicht nur am Ende unseres Lebens erfahren, sondern täglich. Und ich finde, niemand formuliert das so treffend und schön wie Marie Luise Kaschnitz in ihrem bekannten Gedicht:
Auferstehung
„Manchmal stehen wir auf
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut…“
Solche Ostererfahrungen wünsche ich uns allen, auch in der Zeit nach diesem außergewöhnlichen Osterfest 2020, immer wieder!
Herzliche Segenswünsche und bleiben Sie gut behütet und gesund!
Ostersonntag, 12. April 2020