Ansprache zum 29. März

von Claudia Weik-Schaefer.

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
gestern als ich vom Einkaufen zurückkam, unsere Garage abgeschlossen hatte und gerade zum Haus gehen wollte, kam ein kleines Nachbarmädchen auf seinem Fahrrädchen in einem ordentlichen Tempo angerauscht und will auf den Spielplatz an der Düssel einbiegen und muss abrupt abbremsen, da sie ganz spät das Absperrband bemerkt. Die Bremsung ist so heftig, dass sie das Rädchen nicht halten kann und hinfällt. Sie weint bitterlich!

Die Mutter, die ihr gefolgt ist, ist sofort bei ihr und tröstet sie. Ich glaube, es ist mehr Schock als Verletzung, aber der sitzt! Ihre Mama nimmt sie in den Arm und tröstet. Die Tränen versiegen dann wieder relativ schnell und weiter geht die Fahrt. Die Welt ist wieder in Ordnung.
„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“, heißt es in Jesaja 66, es ist ein Vers aus dem Predigttext für letzten Sonntag, aber er kommt mir in den Sinn.
Schön, wenn es so einfach ist mit dem Trösten und die Welt so schnell wieder in Ordnung ist. Im Moment hat man das Gefühl, dass nichts so wirklich einfach ist und dass unsere Welt ganz und gar nicht in Ordnung ist.

Das Virus hat unseren Alltag im Griff. Viele Menschen erkranken. Viele Menschen arbeiten bis zur Belastungsgrenze, andere sitzen zuhause und können nur wenig tun. Grenzschließungen und Ausgangssperren sind plötzlich Begriffe, die in aller Munde sind. Viele sind besorgt, ja fürchten sich. Trost tut da gut. Auch in einer solchen Situation gilt die Zusage Jesajas, dass Gott uns trösten will wie eine Mutter. Der Text spricht in eine Situation hinein, in der die Menschen trostbedürftig sind, egal ob Sie die ursprüngliche biblische Situation nehmen oder heute ganz aktuell. Gott spricht in diese Situationen hinein. Sein Wort kann und will Trostwort (Jer 15,16) und Lichtwort (Ps 119,105) sein – erhellend, ausrichtend, aufrichtend, stärkend. Und es ist Gottes Liebe, die tröstet, wenn wir es am dringendsten brauchen. Wir werden bewahrt. Wir genesen.

Eine schönes Trostwort unter der Überschrift Nicht alles ist abgesagt habe ich vor kurzem gelesen: Sonne ist nicht abgesagt – Frühling ist nicht abgesagt – Beziehungen sind nicht abgesagt – Liebe ist nicht abgesagt – Lesen ist nicht abgesagt – Zuwendung ist nicht abgesagt – Musik ist nicht abgesagt – Phantasie ist nicht abgesagt – Freundlichkeit ist nicht abgesagt – Gespräche sind nicht abgesagt – Hoffen ist nicht abgesagt -Beten ist nicht abgesagt. Und ich ergänze: Gott ist nicht abgesagt. Er ist da und tröstet wie eine Mutter und natürlich auch wie ein Vater. Aber wie geht Trost? Gerade in einer solchen Zeit?

Trösten ist hören, ist mitfühlen, manchmal auch mitschweigen, mitleiden, beten. Und das alles geht auch per Telefon. Und noch ein Plus: als Christinnen und Christen haben wir Gott auf unserer Seite. Was kann uns also passieren? Blicken wir doch einmal anders auf unsere Situation: die getroffenen Regelungen schaffen ja nicht nur Vereinzelung, sie schaffen auch viel Solidarität. und es gibt auch Gutes, was diese fruchtbare Pandemie ans Licht bringt. In unserer Kirchengemeinde gibt es Telefonketten und wenn jemand etwas braucht, kann er das auch anmelden und es wird erledigt. Das ist für mich schon ein Stück Auferstehung mitten in der Passionszeit. Es ist die Auferstehung der Mit¬menschlichkeit, des fürsorgenden Blickes füreinander, des echten Trostes. Amen.

Liedvers und Gebet:
Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt / Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt. / Liebe lebt auf, die längst erstorben schien: Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün. (Gesangbuch 98,1)

Sonntag, 29.März 2020