Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht (Lukas 21,28)

Kurzsichtigkeit scheint ein Schicksal unserer Tage zu sein. Wendet man den Blick von den Displays der Smartphones ab, fällt es vielen Menschen immer schwerer, ein scharfes Bild von Bäumen und Büschen in der Ferne zu sehen. Zu intensiv, zu lange sind die Augen auf WhatsApp-Nachrichten, Mails und Statusmeldungen fixiert. Die Augen leiden, unbewusst auch die Seele. Nachrichten aus aller Welt flackern über die winzigen Bildschirme. Sie bannen die Aufmerksamkeit. In scheinbarer Echtzeit nehmen wir Anteil an Katastrophen und Trends auf dem gesamten Globus – und bleiben doch allein mit den flüchtigen Bildern auf unseren Geräten.

Wir werden die Eindrücke nicht mehr los, die sie in uns hinterlassen: IS-Terror, Euro- und Finanzkrise, Klimakatastrophe, Syrien- und Ukraine-Konflikt, Flüchtlingsströme. Immer häufiger hört man die Klage: „Ich verstehe die Welt nicht mehr.“ Sie wirkt wie eine unübersichtliche Krise mit offenem Ausgang. Wie lange geht das noch gut? Wie oft können wir noch einigermaßen unbeschwert Weihnachten feiern? Gegen die drohende Kurzsichtigkeit hilft, den Kopf immer wieder zu erheben. Die Augen brauchen Abwechslung. Sie müssen sich entspannen können in der Weite, im Blick auf das Ganze.

Eine solche Entspannung legt Jesus ans Herz: „Seht auf und erhebt eure Häupter!“ Verkrampft euch nicht im Blick auf die drohenden Zeichen der Zeit. Sie sind nicht alles. Worauf ihr im Advent zugeht, ist weit mehr als eine kurze Ablenkung an ein paar Festtagen. Euch erwartet mehr als die Illusion einer heilen Welt im engsten Kreis der Lieben. Es naht sich eure Erlösung. Sie befreit euch von der Enge eurer Ängste. Eine krisenfreie Zeit gibt es nicht. Es hat sie nie gegeben. In diese unsichere, krisengeschüttelte Welt kommt Gott in Jesus hinein. Er teilt Ungewissheit, Hunger und Durst, Leid und Schmerz. Darin lässt Gott Menschen spüren, wie man in schweren Zeiten dennoch leben kann mit Zuversicht und mit Freude. Denn Gott ist nahe, und seine Kraft erweist sich gerade dann als mächtig, wenn unser kurzsichtiger Blick keinen Halt und keinen Fokus mehr findet.

Behalten wir den Überblick!

Das wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Michael Opitz

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