Gruß zum Sonntag Exaudi am 16. Mai 2021

von Gerhard Gericke.

Da lese ich mal wieder den Anfang eines persönlich gehaltenen Briefes. Und obwohl der uralt ist, erscheint er mir höchst aktuell.

In dem Brief geht es nämlich um Kontaktsperre, Abstand halten, Einschränkungen und zugleich um die Sehnsucht nach Normalität. Sind in diesem Brief die Umstände auch ganz anders als heute, klingen bekannte Wünsche heraus: „So gern wäre ich wieder bei euch zu Besuch. Wir könnten uns face to face wieder begegnen und miteinander reden. Wir könnten uns gegenseitig trösten und Mut machen. Aber nun geht das alles nicht. Und weil ich nicht kommen kann, schicke ich euch diesen Brief.“ Eben!

Wahrscheinlich, liebe Markus-Leute, haben Sie längst gemerkt, dass der Briefschreiber ‚Paulus‘ heißt. Im Römerbrief, Kap. 1, 8-15, bedauert er die genannten Zustände. „Aber trotz dieser schlechten Nachricht habe ich auch eine gute für euch!“ Wörtlich: „Zu dieser guten Nachricht bekenne ich mich offen und ganz ohne Furcht. Denn in ihr steckt eine Kraft – eben die Kraft, die von Gott kommt. Diese macht uns alle reich und gesegnet, so wir darauf bauen und vertrauen.“ (Kapitel 1, 16)

Seine Botschaft: im Evangelium steckt Kraft. ‚The Gospel is powerful‘ hieß es vor Zeiten in der Markuskirche, als eine afrikanische Gemeinde oft mit lauter Musik dort zu Gast war. Das Evangelium hat Anziehungskraft und es hat Widerstandskraft (Bonhoeffer). Es hat Schwerkraft, die uns wieder runter auf die Erde zieht, wenn wir uns trügerischen Vorstellungen hingeben. Und es hat hat Heilkraft, wenn wir mal wieder neben der Spur sind, uns kraftlos oder krank fühlen.

Zum andern: die Botschaft der Bibel ist eine Kraftquelle, weil wir nicht nur glauben, was wir sehen, und nicht nur gelten lassen, was die Wissenschaften beweisen können. Zwischen Himmel und Erde geschieht ja viel mehr. Und das macht unser Leben reicher. 

  • Wer sich einmal über beide Ohren verliebt hat, kann das mit dem Verstand nicht begründen und will das auch gar nicht.
  • Allein, dass wir träumen, zeigt uns verblüffend, dass in uns andere tiefere Schichten liegen.
  • Unser Leben ist immer mehr. Und da kommt religiöse Bindung ins Spiel. Auch eine robuste Begabung, die uns mitgegeben ist. Darüber schrieb einmal Dorothee Krings in einem Kommentar der Rheinischen Post: „Religion ist durch nichts zu ersetzen.“

Eben!

Kraftvoll ist auch die Ankündigung, dass unser Basisbuch, die Bibel, keine Dogmen- und Paragraphensammlung ist, sondern typische Menschheitsgeschichten erzählt. Auf weiten Strecken also ein seelsorgerliches Trost- und Mutmachbuch über Angst und Alptraum, über Trauer und Tränen – und zugleich über Geborgenheit, Sehnsucht und wunderbare Erfahrungen. „Der Herr ist mein Hirte …“ Psalm 23 fällt mir immer ein, wenn aktuell in der Corona-Debatte hoffnungsvoll von der erwarteten ‚Herdenimmunität‘ die Rede ist. Eben!

Und schließlich: aussagekräftig sind die einmaligen Anweisungen Jesu zum täglichen Miteinander, die einfach sinnvoll und nützlich sind. Ich meine diese Balance zwischen Nächsten- und Eigenliebe. Eine Ethik, die ich so auf den Punkt gebracht woanders nirgends finde. Denn im Doppelgebot Jesu „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ geht es um die Sorge für den anderen und in gleicher Weise um die Sorge für mich selbst. Um Verantwortung für den anderen – und in gleicher Weise um Verantwortung für mein Leben! Ich weiß: es ist nicht leicht, hier die Balance zu halten. Deshalb vertraue ich darauf, dass ich dafür vor allem immer wieder neue Kraft bekomme, gepaart mit Liebe, Geduld und Besonnenheit.

Schalom … bis wir uns wiedersehen können (am Pfingstsonntag),
Ihr Gerhard Gericke

Sonntag, 16. Mai 2021