Ansprache aus dem Gottesdienst vom 7. Juni

von Gerhard Gericke.

Liebe Gemeinde!
Da machen wir seit etlichen Wochen eine ganz neue Erfahrung: eine Maske vorm Gesicht! Zeitweilig! Nicht sehr angenehm, diese Halbmaske vor Mund und Nase, um mich und den andern zu schützen…. wobei zum Glück unsere Augen frei bleiben.

Mir fällt auf, was das ausmacht, wenn man nur die Augen des andern sehen kann. Merken Sie das auch? Dass ein anderer so sprechende Augen hat, strahlende Augen, schöne Augen. Man sagt ja auch „Rehaugen“oder im Gegenteil: traurige oder müde Augen! Ängstliche Augen oder auch feuchte.

Eine Maske im Gesicht hat ja ganz verschiedene Funktionen.
– Beliebt im Karneval, um mal spielerisch und künstlich eine andere Identität anzunehmen.
– Der Pantomimen-spieler, der ohne Worte typisch Menschliches widerspiegelt.
– Der Einbrecher trägt eine Strumpfmaske, um nicht erkannt zu werden.
– Der Feuerwehrmann, um sich beim Großbrand zu schützen
– Ich erinnere mich im Krieg hatten wir alle eine Gasmaske. Für den Fall, dass…
– Der Stahlarbeiter an Hochofen hat sie. Der Chirurg bei der OP. Auffällig der Zahnarzt. Sieht ja z.Zt in TV-Bildern furchterregend aus!
Und dann gibt es die Scham-Maske! Der Angeklagte vor Gericht, der sein Gesicht hinter einem Aktendeckel versteckt.

Ganz verschiedene Anlässe – ganz unterschiedliche Grüne, eine Maske anzulegen! So leben wir Menschen zuweilen unter der Maske! Und wir leben hinter der Maske! Und wir tragen sichtbare, immer wieder auch unsichtbare Masken. Und ich frage: trage ich nicht manchmal auch eine unsichtbare Maske? Mein Gegenüber kann dann nicht erkennen, wie es wirklich in mir aussieht. Ob ich offen und ehrlich bin, oder etwas zu verbergen habe, nicht entdeckt zu werden, „wie’s drinnen ausschaut“? Immer wenn wir uns begegnen, spielt ja unser Gesichtsausdruck eine entscheidende Rolle. So wie es ‚Liebe auf den ersten Blick‘ gibt – so gibt es unter uns ja auch Verunsicherung und Misstrauen auf den ersten Blick!

Dass Menschen sich verstecken – mit oder ohne Maske – das gab es natürlich schon immer. So lesen wir in zahlreichen Geschichten der Bibel ,dass das Gesicht eines Menschen.das An-gesicht, das ’sich in die Augen schauen‘ eine große Rolle spielt, wenn es um Beziehungen geht. Beziehungen von Mensch zu Mensch. Und solche zwischen Gott und Mensch! Sehen und gesehen werden! Da geht immer zuerst über unsern Gesicht.

Wir machen da -glaube ich – eine doppelte Erfahrung: Einerseits: ich finde es schön, gesehen zu werden! Erkannt zu werden! Von einem anderen wahrgenommen zu werden. Face to face! Wir reden ja auch vom „Augen-blick“… vom Blick der Augen. Etwas Wunderbares! Getopt von Goethe: ..“werd ich zum Augenblicke sagen: verweil doch! Du bist so schön!“ Andrerseits kennen wir Situationen, da möchte ich mein Gesicht verbergen. Möchte ich nicht gesehen werden, weil ich mich schäme…. ‚Hände vor’s Gesicht!‘ Weil wir womöglich ’schamrot werden‘. Jetzt soll mich der andere auf keinen Fall ansehen. Solche Schamgefühle kennen wir seit Menschengedenken.

So in der biblischen Ur-geschichte. (d.h. „Menschheitsgeschichte“ … ursprünglich …) „Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes. Denn sie schämten sich und hatten große Angst (Gen.3,8). Da hatte er mit seiner Frau eine Grenze überschritten. Und jetzt meint er, sich verstecken zu müssen … Aber vor Gott gibt es kein Versteckspiel.

Dann ein wenig später: Kain nach dem Brudermord! Verständlich, dass er hier versucht, sich zu verstecken oder notfalls sich herauszureden „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ Interessant: auch eine Ausrede ist ja zuweilen wie eine Maske, hinter der man sich verstecken kann … gleichsam eine „verbale Maske“. Mit seiner Bluttat ist seine Beziehung zu Gott total zerstört. Als er sich dessen bewusst wird, wird ihm klar: Ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen (Gen.4,14). Wir kennen die Folge: sein Leben wird im Schweiße seines Angesichts hart und schwer werden. Dennoch Kain bleibt unter dem Schutz Gottes. Das Kains-Zeichen, ihm ins Gesicht geschrieben – ein Schutzzeichen: niemand darf Rache nehmen und Kain töten.

Schließlich wird an anderer Stelle in der Bibel die Beziehung Gott – Menschen noch ganz anders gesehen. Zum Beispiel in der prophetischen Rede des Jesaja Da steht im Hintergrund eine menschliche Erfahrung, die wohl jeder von sich kennt…nämlich das Gefühl, allein gelassen zu sein…abgehängt ..von Gott und der Welt: „Mein Gott, mein Gott….Warum?“Und dazu heißt es in der Gottesrede des Propheten, der so eine pers. Krise erfahren„Für eine kleine Weile habe ich dich Mensch allein gelassen. Aber mit großer Barmherzigkeit will ich mich dir wieder zuwenden. Als du mich zum Zorn gereizt hattest, habe ich mein Angesicht ein wenig verborgen. Aber nun will ich dir für immer gut sein. Das sage ich, der Herr, der dich befreit hat.“ (54,7f)

Gott sieht hin. Darin bleibt er sich treu – durch Störende und Trennende hindurch. Das gilt uns auch in Tagen wie diesen. Er bleibt uns zugewandt, – auch wenn wir uns verstecken wollen hinter sichtbaren oder unsichtbaren Masken..

Und um diese Zusage nie zu vergessen, werden wir Sonntag für Sonntag daran erinnert, bevor wir nach dem Gottesdienst wieder auseinander gehen: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Er wende dir sein Angesicht zu und schenke dir Frieden!“ (4.Mose, 6.24).

Und nun lasst uns unter diesem Segenswunsch in die neue Woche gehen…auch in Zeiten von Covid 19! Nicht nur wir hier in Markus – genauso auch in Madagaskar und Namibia, wo unsere Partnern und Geschwistern heute ihre Gottesdienste unter ähnlichen Bedingungen feiern. Im Wissen „der Himmel geht über allen auf, auf alle über, über allen auf …“

Amen!

Sonntag, 7. Juni 2020, Partnerschafts-Sonntag 2020