Ansprache zum 22. März

von Gerhard Gericke.

Corona, Pest und Schuld

Natürlich fiel mir diese Überschrift in ‚Publik Forum‘ vom 13. März sofort auf.
Da schrieb Michael Schrom über Oberammergau 1633. „Die Pest wütet in Bayern. Im abgelegenen Gebirgsdorf fühlt man sich relativ sicher. Um sich zu schützen, hat sich das Dorf Quarantäne auferlegt. Meterhohe Pestfeuer signalisieren: Kommt nicht näher, auch bei uns wütet die Pest. Das ist ein Trick, aber der funktioniert. In Wirklichkeit ist keiner im Dorf betroffen. Bis sich Kasper Schilser, ein Tagelöhner, der sich auswärts verdingt hat, heimlich zurück ins Dorf schleicht, um Frau und Kind wiederzusehen.

Er ist Patient Null. Mit ihm nimmt das Unheil seinen Lauf. 84 Dorfbewohner sterben. Die öffentliche Ordnung bricht zusammen. Und es setzt sich die Überzeugung durch „Gott hat uns verlassen!“ Um ihn wieder gnädig zu stimmen, geloben die Oberammergauer, alle 10 Jahre die Passion Jesu aufzuführen. (so wie in diesem Jahr). Nach dem Gelöbnis soll kein weiterer Bewohner erkrankt sein, erzählt die Legende.

Wie die Pest damals – ähnlich Corona heute! Das Virus verunsichert uns, macht ratlos und vereinzelt sucht man nach Schuldigen und Sündenböcken.
Dazu meint Michael Schrom: „Kein ernstzunehmender Theologe deutet die Corona-Pandemie als Strafe Gottes. Sehr wohl aber kann man in säkularen Medien lesen, dass Corona eine Strafe der Natur sei. Weil der Mensch so sorg- und achtlos mit ihr umgeht“. Doch auch das führt nicht weiter. Eine andere Deutung sagt da mehr: „Wir sollten keine vollmundigen Antworten geben, auf vorschnelle Schuldzuweisungen verzichten und dafür solidarisch die Irritationen aushalten“.

Ich kann dem nur zustimmen und daran denken, dass Menschen in der Zeit der Bibel andere aber ganz ähnliche Irritationen und elementare Ängste oft über längere Zeit aushalten mussten. Erinnern wir uns an den zermürbenden Zug durch die endlose Wüste! Doch mitten in dieser extremen Situation heißt es: „Da erhob sich der Engel Gottes, der vor dem Volk herzog und stellte sich jetzt hinter sie“ (2.Mose 14,19)

In anderer Form erleben wir ja solche beschwerlichen „Wüstenwanderungen“ heute! Und sehnen uns danach, dass diese Zeiten vorübergehen. An einer Stelle im Buch der Könige lesen wir, wie Menschen in Hungersnot, Pest, und Krankheit ermutigt werden, im Gebet vor Gott – einzeln oder das ganze Volk – ihre Not zu beklagen und daraus Hoffnung zu schöpfen. (1.Könige, 8,37f)

Ähnlich wenn ein anderer in einer persönlichen Notsituation einen Silberstreifen am Horizont entdeckt und zuversichtlich ein Lied anstimmt: „Ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn du bist bei mir!“ (Psalm 23,4)

Oder einer, der in einer Art Weltuntergangstimmung bekennt: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns betroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge…“ (Psalm 46,2)

Wie zeitnah sind doch diese Verse!

Liedvers und Gebet:
Bewahre, uns Gott, behüte uns, Gott / sei mit uns in allem Leiden. Voll Wärme und Licht im Angesicht / sei nahe in schweren Zeiten.(Gesangbuch 171,2)

Sonntag Lätare, 22.März 2020