AN -ge- DACHT

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Besucherinnen und Besucher unserer Webseite,

wer wartet schon gerne? Ich jedenfalls nicht. Ich stehe nicht gerne im Stau. Warten an der Kasse oder im Wartezimmer ist auch nicht mein Ding. Ich mag keine dauernden Unpünktlichkeiten. Und bei Handwerkerbesuchen keine Zeitfenster zwischen 9 und 18 Uhr. Und bei Bestellungen setze ich darauf, dass sie fristgerecht geliefert werden. Wahrscheinlich geht es den meisten von Ihnen ähnlich: Der moderne Mensch ist daran gewöhnt, dass Dinge pünktlich und vor allem sofort erledigt werden. wofür gibt es schließlich all die technischen Helfer, die uns schnellere Wege, schnellere Kommunikation und die schnellere Erfüllung unserer Wünsche garantieren? Dass uns dadurch auch ein schnelleres Leben beschert wird, das manchmal kaum Zeit zum Atmen lässt, übersehen wir dabei gerne. Wir haben das Warten-Können verlernt und geraten deswegen-sinnbildlich-in ein tägliches Duell mit all dem, was sofort geschehen, sofort erledigt, sofort gekauft und sofort erlebt werden muss.


Aber ist unser Leben dadurch glücklicher, entspannter und erfüllter geworden? Lebt man besser, wenn man auf nichts und niemanden mehr warten muss? Nein. Im Gegenteil-immer dann, wenn es mir gelingt, eine Wartezeit als Zeit der Muße und der Besinnung zu nutzen, wird mir deutlich: Das wirklich Wichtige im Leben lässt sich nicht erzwingen. Alles Wesentliche braucht Zeit zum Wachsen und Reifen. Nur wer warten kann, gewinnt neue Freiräume. Nur wer Geduld und Gelassenheit lernt, ahnt etwas vom Geheimnis des Lebens. Nur wer stehen bleiben lernt, erkennt die Chance des Augenblicks.Auch der Advent hat etwas mit Warten-Können zu tun. Advent ist die Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft Gottes.

Die Adventszeit hat vom 1. Adventssonntag bis Weihnachten eine innere Dynamik. An ihr dürfen wir auch unser Leben mit seinen ganz konkreten Erfahrungen ausrichten. Auch, wenn es uns heute schwer fällt, das einzusehen: Wir Menschen brauchen Wartezeiten, um überhaupt spüren zu können, wonach wir uns sehnen. Wir müssen manchmal äußerlich innehalten, um innerlich nicht zu vertrocknen. Wir müssen das Warten lernen, um zu erahnen, dass die Erfüllung unseres Lebens nicht mal eben nebenbei, in aller Eile und sofort erledigt werden kann. Zeit verstreichen zu lassen, ohne zu handeln? Uns schlicht vom Moment tragen und inspirieren zu lassen? Dass das Wort „warten“ vom Mittelhochdeutschen „Warte“, dem „Ort der Ausschau“ abzuleiten ist, könnte uns nachdenklich stimmen. Ausschau halten kann nicht, wer dabei ständig rumzappelt.Wer zu sehr auf Kommendes wartet, verpasst die Gegenwart. Denn das Leben ist ja kein Warten auf den nächsten, sondern Erleben des gegenwärtigen Moments. Ich wünsche uns, dass der Advent für uns eine erfüllte Zeit des Wartens wird. Ich wünsche uns, dass wir spüren: Gott ist längst gegenwärtig-in meinem Leben, in den Menschen meiner Umgebung, in vielen kleinen Zeichen des Alltags und nicht zuletzt in mir selber. Wenn wir versuchen, das Warten zu lernen und zu schätzen, das Wertvolle dieser Zeit zu entdecken, dann begreifen wir vielleicht sogar das ein oder andere Warten im Stau oder in einer Warteschlange als eine Zeit der Gnade.

Mit adventlichen Grüßen
Ihre Pfarrerin
Sabine Happe